Castel del Monte: Ikone des idealen Staates, Tempel der unsterblichen Seele

Foto: Luftbild, anonym, 1878 (histor. Postkarte Anfang des 20. Jhds.; Privatbesitz)
Castel del Monte gilt als Architekturideal, als Rätselbau und als die persönlichste Schöpfung des Kaisers Friedrich II. (1194-1250). Mit Friedrich II. begegnet uns ein herausragender Herrscher, Bauherr, Forscher und Förderer der Künste. Die meisten Bauwerke, die er in Auftrag gegeben hat, dienen der Verteidigung des Königreichs Sizilien. Dieses Königreich stellt die wichtigste Machtbasis des Herrschers aus staufischem und normannischem Hause dar. Bereits als Kind muss sich Friedrich II. gegen viele Anfeindungen wehren. Mit knapp vier Jahren ist er Vollwaise. Das von seiner Mutter (Konstanze von Sizilien) geerbte Königreich Sizilien wird ihm beinahe weggenommen, ähnlich verhält es sich mit der versprochenen deutschen Krone. Nur mit großem Mut und Glück erreicht es Friedrich II., die Herrschaft zu sichern und schließlich 1220 in Rom zum Kaiser gekrönt zu werden. Nach seinem Tod (1250) dauert es noch knapp zwei Jahrzehnte, bis die Zeit staufischer und normannischer Herrscher endgültig untergeht. Dante nennt Friedrich den „letzten Kaiser der Römer“ (Convivio IV, III, 6).
Von den zahlreichen Wehrbauten und Funktionsbauten Friedrichs II. unterscheiden sich zwei außergewöhnliche Bauwerke ganz deutlich: das programmatische „Tor der Iustitia“ in Capua, das Eingangsportal zum Königreich Sizilien, und Castel del Monte. Castel del Monte ist der einzige Bau Friedrichs II., dem bislang kein klarer Zweck zugeordnet werden konnte. Die Quellenlage zur Baugeschichte von Castel del Monte ist sehr dünn. Viele Forscher halten es jedoch für offensichtlich, dass dieser „Idealbau“ (Willemsen; Biller), „Symbolbau“ (Götze) oder „Systembau“ (Schirmer) wesentlich von Friedrich II. konzipiert oder zumindest mit-konzipiert wurde - in seiner Lieblingsregion Apulien - und dass es eine programmatische Intention für das Bauwerk gegeben haben muss.
Dort, wo es schwierig oder unmöglich ist, ein Kunstwerk aus sich heraus oder durch Aussagen des Urhebers zu interpretieren, ist die Deutung auf die Einbeziehung näherer und weiterer Kontexte angewiesen, beispielsweise Biographie, Zeitgeschichte, kunstgeschichtliche Entwicklungen, mögliche Vorbildbauten, Kulturgeschichte und Philosophie. Bei einem historischen Bauwerk kommen vor allem phänomenologische, archäologische, bauhistorischeund vermessungstechnische Erkenntnisse hinzu. Bereits Carl Arnold Willemsen, Heinz Götze und Stefania Mola forderten einen multiperspektivischen und interdisziplinären Ansatz, um Castel del Monte zu erforschen und zu erschließen. Heinz Götze wählte in den 1980er Jahren einen Ansatz, der archäologische und kunsthistorische Erkenntnisse mit kulturgeschichtlichen und philosophischen Konzepten verglich, eine Vorgehensweise, die an die ikonologische Methodik Erwin Panofskys erinnert. Götze sieht in Castel del Monte ein Bauwerk, das an antike Traditionen der römischen Kaiserzeit anknüpft, vielleicht sogar ein architektonisches Symbol der Pax Augusta darstellt.(1) Er untersucht auch Verbindungen zur antiken Philosophie, insbesondere zur platonischen Schule.(2)
Es liegt nahe und drängt sich geradezu auf, die beiden Bereiche, denen Friedrich II. so viel Bedeutung gegeben hat, in einen engeren Zusammenhang zu bringen: Baukunst und Philosophie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass „Philosophie“ im 13. Jahrhundert weitgehend gleichbedeutend ist mit „Wissenschaft“. Friedrich II. nennt sich selbst „Forscher“ ("inquisitor") und „Liebhaber der Weisheit“ ("sapientie amator"), er versammelt an seinem Hof viele Gelehrte (viri docti; ungefähr 200 Personen), er gründet die Universität Neapel und verfasst persönlich ein naturwissenschaftliches Werk, das in seinem biologischen, vogelkundlichen Bereich für Jahrhunderte unerreicht bleibt: „De arte venandi cum avibus“ („Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen“).(3) Der Herrscher senden Fragenkataloge an Gelehrte rund um das Mittelmeer, um die Struktur des Kosmos oder die Beschaffenheit der menschlichen Seele zu erforschen. Zurecht kann Friedrich II. als Wissenschaftler, in der Begrifflichkeit seines Zeitalters als „Philosoph“ bezeichnet werden. In einer Chronik des 13. Jahrhunderts heißt es über Friedrich II.:
„[Er] bemühte sich selbst um die Philosophie, und wie er sie selbst pflegte, so befahl er auch, sie in seinem Reiche zu verbreiten. […] Der Kaiser selbst aber ließ in seinem Reiche Schulen der Freien Künste und jeder erprobten Wissenschaft errichten. […] Gelehrte aus allen Ländern der Welt lockte er durch die Großzügigkeit seiner Geschenke herbei, setzte ihnen wie auch den mittellosen Studenten ein festes Gehalt aus, damit die Menschen jedes Standes und Vermögens nicht auf Grund irgendeines Mangels von dem Studium der Philosophie abgehalten würden.“(4)
Vor diesem Hintergrund ist es deutlich, dass die Philosophie, wie sie Friedrich II. zugänglich war, als wichtiger Deutungskontext für Castel del Monte in Betracht zu ziehen ist.
Innenhof Castel del Monte (Foto: Mancini)
Castel del Monte, so die These des Autors, ist geprägt von der geometrischen Form des Oktogons, wie es exemplarisch in Aachen (Hofkirche Karls des Großen) und Jerusalem (Felsendom) in Erscheinung tritt. Das Bauwerk repräsentiert wahrscheinlich acht Herrschaften königlichen Rangs (Sizilien, Deutschland, Reichsitalien, Burgund, Rom (eingeschränkt), Jerusalem, Zypern, Sardinien.) in Verbindung mit der Kaiserkrone. Die acht oktogonalen Türmen und das große innere Oktogon können diese Herrschaftsverhältnisse symbolisieren. Elemente der salomonischen und antiken Tempelarchitektur sowie antiker Triumphbögen aufgreifend (beispielsweise in der Gestaltung des Hauptportals), erscheint die Architektur geradezu als trotziger Triumph gegenüber den mächtigen Gegnern Friedrichs II., der 1239 zum zweiten Mal vom Papst aus der Kirche exkommuniziert wird und in den Fokus der päpstlichen Kreuzzugsbewegung gerät. Thematisch könnte der Bau modellhaft den Entwurf des idealen Staates repräsentieren, wie er ursprünglich von Platon entwickelt worden ist und später vor allem in der islamischen Philosophie diskutiert und kommentiert wird, zu der Friedrich II. Zugang hatte. Platons Lehre von der Unsterblichkeit der Seele gibt im 13. Jahrhundert die klarsten Antworten zur Erforschung der Seele, womit sich Friedrich II. intensiv beschäftigt. Pythagoreisch, platonisch und aristotelisch ist auch der Ansatz, Mathematik und Geometrie als Wegbereiterinnen der Metaphysik zu verstehen, wie es im 13. Jahrhundert der Fall ist und wie es möglicherweise im geometrisch konstruierten Castel del Monte gespiegelt wird.
Hauptportal von Castel del Monte mit Dreiecksgiebelfeld und Rechteckfeld (Foto: Mancini)

Augustusbogen von Orange mit Dreiecksgiebelfeld und Rechteckfeld (Foto: Mancini)
Die Vielfalt der Interpretationsansätze, die Benedikt Mancini in seiner Untersuchung vorträgt, reicht von gut abgesicherten Erkenntnissen bis hin zu spekulativen – jedoch nicht unbegründeten – Interpretationen. Im Bereich spekulativer Überlegungen sind diejenigen zur platonischen bzw. neuplatonischen Metaphysik die gewagtesten. Sie ermöglichen jedoch eine Integration der vielfältigen anderen Gesichtspunkte – auch derjenigen Aspekte, die in bisherigen Untersuchungen zu Castel del Monte zu wenig Beachtung gefunden haben: beispielsweise die konsequente Analyse und symbolische Deutung der Mittelpunktsymmetrie, des Hauptportals, der Türme, der Innenraumgestaltung, des Meleager-Spolienreliefs sowie der Verwendung von Korallenbrekzie, außerdem die Zählung königlicher Herrschaften in Verbindung mit der kaiserlichen Krone, die Untersuchung der baupolitischen Resonanzen des dauernden Konflikts zwischen Papsttum und Kaisertum (insbesondere im Zusammenhang solcher Bauwerke in Speyer, Cluny, Rom), eine noch konsequentere Untersuchung der Oktogon-Symbolik, eine stärkere Berücksichtigung der salischen und staufischen Memoria-Kultur, eine weitreichendere Auswertung der mittelalterlichen Interpretation des Felsendoms als Tempel Salomos, eine spezifischere Untersuchung imaginierender Bezüge zur antiken kaiserlichen Baukunst, eine genauere Berücksichtigung der über die staufische Tradition hinausreichenden normannischen Kunst- und Architekturgestaltung einschließlich der außergewöhnlichen Fähigkeit, verschiedene Strömungen synkretistisch aufzunehmen und zu etwas Neuem zu formen (wie dies Stefania Mola besonders deutlich formuliert hat, die zudem von einem „friderizianischen Klassizismus“(5) spricht).
Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst nimmt nach dem Tod Honorius‘ III. (1227) an Dramatik zu. Von Gregor IX. (Pontifikat 1227-1241) wird Friedrich II. zweimal exkommuniziert, wobei der zweite Bann bis heute nicht aufgehoben ist. Der Streit mit dem Papst entzündet sich 1227 an der Kreuzzugsproblematik, 1239 stehen Machtfragen im Mittelpunkt (insbesondere der Streitfall Sardinien). Papst und Kaiser ringen auf mehreren Ebenen miteinander. Relevant sind dabei auch Kunst und Architektur, die unter anderem auch politischen Zielen dienen.
Vor diesem Hintergrund erscheint Castel del Monte als Denkmal und Ausdruck kaiserlicher Macht, die in den karolingischen, augusteischen und salomonischen Traditionen eine Stärkung ihrer Legitimation sucht, was sich auch in architekturgeschichtlichen Bezügen zeigt. Hierbei spielen neben antiken Bauwerken der als Wiederherstellung des Salomonischen Tempels verstandene Felsendom, San Vitale (Ravenna), der Aachener Dom und wahrscheinlich auch die rheinischen Kaiserdome mit ihren gewaltigen oktogonalen Kuppeltürmen (insbesondere Speyer) eine besondere Rolle. Von den in Frage kommenden Vorbildbauten, mit denen Castel del Monte einerseits deutliche Übereinstimmungen zeigt, unterscheidet sich das Bauwerk gleichzeitig durch die offene Mitte und durch die acht mächtigen Türme, welche das wichtigste architektonische Machtsymbol der Zeit (in Italien), den Turm, repräsentieren und vervielfachen.
Das Bauwerk erscheint durch seine geographische Lage, seine Silhouette, Struktur und Innenausstattung geradezu als ein architektonisches Modell für den idealen Staat, wie ihn Platon entworfen hat und wie er besonders in der islamischen Philosophie, zu der Friedrich II. Zugang hatte, bis ins 13. Jahrhundert hinein intensiv diskutiert und kommentiert wird. In Platons idealem Staat herrschen Vernunft und Gerechtigkeit, vertreten durch eine Gemeinschaft von Philosophen (oder durch einen Monarchen, der zugleich Philosoph ist). Metaphysische Aspekte dienen dabei nicht machtpolitischen Zielen, sondern weisen dem Staat die Aufgabe zu, den Seelen einen Aufstieg in die Transzendenz zu ermöglichen. Nach Platon soll der explizit als Stadtstaat (Polis) konzipierte Staat in erreichbarer Nähe zum Meer, jedoch nicht direkt an der Küste liegen. Die Häuser der Bewohner sollen gleichartig sein und einen Mauerring bilden. All dies findet Entsprechungen in Castel del Monte. Drei Stände bilden den Staat, dessen Struktur sich modellhaft auf Castel del Monte übertragen lässt: Das innere Oktogon kann als Herrschaftsbereich den Philosophen (oder dem Monarchen; erster Stand) zugeordnet werden. Die oktogonalen Türme korrespondieren mit den Wächtern (zweiter Stand). Das Umland, das sich in Castel del Monte bis heute als außergewöhnlich weitläufig erweist, entspräche dem Bereich der Bauern, Handwerker, Gewerbetreibenden und Händler (dritter Stand). Im Inneren des Bauwerks könnten die gleichartigen Räumlichkeiten auf die Gleichrangigkeit der Philosophen hinweisen. Die im Obergeschoss (in allen Räumen) umlaufende steinerne Sitzbank, die für die mittelalterliche Burgenarchitektur ganz außergewöhnlich erscheint, würde zusammen mit den Sitzbänken in den erhöhten Fensternischen auf die platonische Dialogsituation verweisen, in welcher zwei oder mehrere Gelehrte vor einer Gruppe von Interessierten bzw. Schülern disputieren.
Wissenschaft nach dem vorherrschenden Verständnis des 13. Jahrhunderts reicht ausgehend von den artes liberales über Physik und Mathematik bis zur Metaphysik. Die konsequente Geometrie Castel del Montes lässt sich in diesem System an einer Schlüsselposition verorten, im Bereich der Mathematik, welche zwischen Physik und Metaphysik vermittelt, beispielsweise indem sie dazu beiträgt, Naturbeobachtungen zu abstrahieren und durch eine übergeordnete Ontologie zu erklären. Dies führt hin zu den philosophischen, metaphysischen Gottesbegriffen des Unbewegt Bewegenden (Aristoteles) und des Sich verströmenden Guten (bonum diffusivum sui) (platonische Tradition). All dies ist zu verbinden mit einem philosophischen Wirklichkeitsverständnis, welches von einem einheitlichen Ursprung allen Seins ausgeht und die Rückkehr zu diesem Ursprung annimmt. Damit geht einher die metaphysische Verhältnisbestimmung des Einen zum Vielen bzw. des Ganzen zu seinen Teilen.
Insbesondere aus der Luftperspektive wirken diese Konzepte mit Blick auf Castel del Monte als Ansätze, welche die Mittelpunktsymmetrie und die Diffusion des Oktogons in acht weitere Oktogone plausibel erklären können und einen tieferen, geradezu kosmischen oder metaphysischen Sinn des Bauwerks erschließen, insbesondere wenn man bedenkt, dass in der antiken Philosophie Symmetrie als Inbegriff für Schönheit und Ordnung des Kosmos gilt, eines Kosmos, der sich ansonsten in der Gefahr befindet, ins Chaos zu stürzen. Dante Alighieri wird in der Monarchia genau diese Konzepte anwenden, um die Beschaffenheit und Struktur der idealen Herrschaft zu beschreiben (Monarchia, I, vi, ix, xv).

Spolienrelief auf der nordöstlichen Innenhofwand. Dargestellt ist höchstwahrscheinlich die Heimtragung des toten Königs Meleager (Foto: Mancini)

Marmorkapitell über einem Bündelpfeiler, sichtbar auch das für mittelalterliche Bauwerke ungewöhnliche opus reticulatum (oben links), welches bei Vitruv als Merkmal der augusteischen Zeit beschrieben wird. (Foto: Mancini)
Die mittelpunktsymmetrische Struktur Castel del Montes verweist nicht nur auf eine politische und wissenschaftliche (mathematische und metaphysische) Symbolik, sondern auch auf den großen Themenkreis der Memoria. In der Sepulkral- und Memorialarchitektur herrschen mittelpunktsymmetrische Zentralbauten (als Rundbauten oder Polygone) vor. Hierzu gehören auch die Jerusalemer Grabeskirche und im weiteren Sinne der Aachener Dom sowie der Felsendom. Der Aachener Dom übernahm nach dem Tod Karls des Großen die Funktionen einer Grabkirche und Memorialkirche. Dass die Aachener Hofkirche zu den Vorbildbauten für Castel del Monte zählt, ist in der Forschung unumstritten, auch wenn über Detailbezüge und den Charakter des Sakralen weitere Untersuchungen erforderlich erscheinen. Ebenso kann der Felsendom als Vorbildbau gelten, wobei grundsätzlich zu bedenken ist, dass der Felsendom im Mittelalter als Wiederherstellung des Salomonischen Tempels angesehen wurde und die umfangreiche Tempelsymbolik auf den Felsendom übertragen wurde. Die Tradition der Himmelfahrt Mohammeds wurde erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Erbauung auf den Felsendom übertragen. Älter ist die vielschichtige Tradition, die den Felsen mit der Rettung Noahs, dem Abrahamopfer (und der Errettung Isaaks), dem „Brunnen der Seelen“, dem Zugang zur Totenwelt und mit der Himmelspforte in Verbindung bringt. Diese Tradition verband sich nachfolgend mit dem Thema der Himmelfahrt Mohammeds. Der Felsendom wurde in der islamischen Architektur zum Vorbild für Grab- und Memorialbauten, während die islamische Mystik die Himmelfahrt Mohammeds als Sinnbild für den Aufstieg der Seele zu Gott verstand.
Kaiser Friedrich II. steht in einer langen Tradition der Memoriakultur, zu der er persönlich in Aachen, Speyer und Palermo beigetragen hat. Für sich selbst gab er im Testament nur spärliche Anordnungen, obwohl er insbesondere nach dem Kirchenbann von 1239 befürchten musste, dass Begräbnis und Memoria gefährdet sein könnten (wie das Beispiel Heinrichs IV. zeigt, der erst viele Jahre nach seinem Tod in der Grablege des Speyerer Doms begraben wurde, nachdem der Papst ihn vom Kirchenbann freigesprochen hatte; der exkommunizierte König Manfred jedoch wurde nach der Niederlage von Benevent 1266 in einer Schlucht verscharrt). Viele Elemente Castel del Montes verweisen auf die Seelenthematik und Memoria, darunter die christliche, aber auch islamische und antike Symbolik der Achtzahl, die Form eines mittelpunktsymmetrischen Zentralbaus, das Spolienrelief auf der nordöstlichen Innenhofwand mit Thema der Heimkehr des toten Königs Meleager. Aber selbst wenn der Kaiser es nicht beabsichtigt haben sollte, so erinnert Castel del Monte wie kein anderes Bauwerk an Friedrich II. als einen Herrscher, der ein vormodernes Rechts- und Staatswesen formte, in der Kunst Apulien eine Protorenaissance hervorrief und als Vorreiter eines empirischen Wissenschaftsverständnisses gelten kann. Castel del Monte, auch in der Tradition des normannischen Baustils stehend, symbolisiert im Sinne eines fortgeschrittenen Synkretismus zugleich eine im Wachstum begriffene europäische Kultur. Im Sinne der mittelalterlichen Vernetzungsmöglichkeiten war diese Kultur global ausgerichtet und strahlt dies heute noch aus.
Anmerkungen
(1) Götze (1986), S. 100; Götze (1991), S. 53f.
(2) Vgl. Götze (1986), S. 72f.
(3) Vgl. Houben (2008), S. 44; Stürner (2003), S.345f.
(4) Nicolaus de Jamsilla [zugeschrieben], Historia de rebus gestis Friderici II imperatoris eiusque filiorum Conradi et Manfredi (2. Hälfte des 13. Jhds.), zit. nach der Übersetzung von Klaus Heinisch (Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit [Quellensammlung (I)], S. 637f.).
(5) Mola (2011), S. 71.
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